Sächsische Zeitung | 07. November 2019

Warum eine Nationalspielerin jetzt in der 4. Liga spielt

Von Alexander Hiller

Sportlich bleiben die Schlagzeilen bislang dürftig. Seit dem Abstieg des 1. FFC Fortuna Dresden aus der Regionalliga ist der Frauenfußball in der Landeshauptstadt nur noch viertklassig.

Doch auf dem Weg zurück – zumindest in die dritthöchste Spielklasse – bekommt der Klub jetzt unverhofft erstklassige Unterstützung. Die 48-fache südafrikanische Nationalspielerin Marry Ntsweng hat seit zwei Wochen eine Spielgenehmigung für den Viertligisten und erzielte am Sonntag ihr erstes Tor. Bei den Sommerspielen 2012 in London kickte die 1,55 Meter große Mittelfeldspielerin für ihr Land.

Der überraschende Coup kostet die Fortuna, im Unterschied zum Männerfußball, zunächst mal keinen Cent. Ntsweng landete auf Empfehlung einer ehemaligen Fortuna-Spielerin in Dresden. Die Tschechin Anita Maryskova und Ntsweng trafen sich im Februar 2019 bei einem Testwochenende des US-amerikanischen Erstligisten Portland Thorns. Die deutsche Torhüterinnen-Legende Nadine Angerer arbeitet dort als Torwart-Trainerin. „Anita hat mit mir über ihre Zeit in Dresden gesprochen. Ich wollte sowieso immer schon mal in Deutschland spielen“, sagt Ntsweng.

In Dresden will sie heimisch werden

Maryskova knüpfte den Kontakt zum Landesliga-Fünften. Ihre südafrikanische Kollegin kam im August in Dresden an – in dem Wissen, sich zunächst um einen Job kümmern zu müssen. Ihr dreimonatiges Touristenvisum läuft Ende November ab. „Das Problem mit der Ausländerbehörde ist, dass sie mir zwar helfen wollen, aber nicht können“, sagt die Mittelfeldspielerin. Die 29-Jährige arbeitet mittlerweile freiberuflich als Englisch-Lehrerin in Dresden. „Obwohl ich eine Arbeit gefunden habe, hätte mein Visum zumindest eine Arbeitserlaubnis sein müssen. Mir wurde geraten, nach Südafrika zurückzukehren und dort das mit der Erlaubnis zu klären“, sagt sie.

In der südafrikanischen Botschaft konnte ihr nicht geholfen werden, „da mein Aufenthalt von den deutschen Behörden genehmigt werden müsste“, betont Ntsweng. Der Ausweg: „Ich muss ein Visum für eine Arbeitserlaubnis bekommen. Nur dann kann mir die Ausländerbehörde helfen.“ Denn eines steht für Ntsweng fest: „Ich will hierbleiben“. Deshalb sucht sie derzeit händeringend einen Job mit festem Arbeitsvertrag. Das würde die Behördengänge vereinfachen. „Es war mir bewusst, dass die meisten Firmen jemanden suchen, der fließend Deutsch spricht. Ich mag Herausforderungen und hoffe, dass ich schnell lerne“. Dabei hilft auch das Fortuna-Team. „Anfangs haben wir viel Englisch gesprochen. Jetzt erwartet sie von uns, dass wir nur noch Deutsch mit ihr sprechen, um schnell die neue Sprache zu lernen“, sagt Trainer Steve Maschick.

Er hätte die vielseitig einsetzbare Kickerin natürlich gern langfristig in seiner Mannschaft. „Da ist ein Riesenunterschied zu sehen, wie sie ihren Körper reinstellt, mit dem Ball umgeht und welche Laufwege sie macht. Man merkt deutlich, dass sie mal auf einem anderen Level gespielt hat und es noch könnte“, erklärt Maschick.

Eine echte Straßenfußballerin

Ntsweng ist das, was man eine Straßenfußballerin nennt. Sie wuchs mit vier Brüdern in einem kleinen Dorf in der Nähe der Stadt Polokwane auf. „Dort haben wir auf der Straße gekickt“, erinnert sie sich. „Meine Mum war anfangs nicht so begeistert, aber sie freundete sich dann damit an, dass ihre Tochter Fußball spielen wollte“. Ntsweng war so talentiert, dass sie 2006 von ihrem Heimatverein Mphalele Ladies FC an die nationale Nachwuchs-Akademie geschickt wurde. 2008 feierte sie ihr Debüt in der Nationalmannschaft.

Von dieser Ausbildung zehrt sie noch heute, auch wenn sie 2014 ihr letztes Auswahlspiel machte. „Es wurde für mich zusehends schwieriger, die Balance zwischen meinem Studium und dem Fußball zu finden. Mein Fokus lag auf der Ausbildung.“ Ihr Studium für Personalmanagement beendete sie 2014 an der Tshwane University of Technology in Pretoria.

In Dresden lebt sie nun in einer Wohngemeinschaft mit zwei Studentinnen aus Mexiko. Die stets freundliche Frau mit dem optimistischen Lächeln hegt tatsächlich noch fußballerische Ambitionen. Die zwei Einheiten, die Fortuna wöchentlich anbietet, sind ihr zu wenig. „Das ist absolut verständlich. Die Spielerinnen gehen ja arbeiten. In Südafrika war das ähnlich. Aber das ist nicht genug für mich“. Deshalb geht sie noch joggen. „Ich würde gern noch mal als Profi spielen, vielleicht auch in der Bundesliga. Ich bin leidenschaftliche Fußballerin. Wenn ich die Chance bekäme, würde ich sie nutzen. Das muss ich ehrlich sagen. Aber ich will auch hier weiterspielen. Wir werden sehen. Und ich möchte eine Trainerausbildung machen“, erzählt sie. Ihr Klubtrainer möchte sie natürlich halten, nicht einmal aus ausschließlich sportlichen Gründen: „Sie bringt die Mannschaft menschlich weiter, weil sie mehr ist als eine Exotin. Sie besitzt eine hohe soziale Intelligenz“, sagt Maschick.

 

Quelle: www.sz-online.de

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