Sächsische Zeitung | 06. Okt. 2016

Fortuna im Glück

Von Maik Schwert

Die Dresdner Fußballerinnen empfangen Wolfsburg im Pokal. Es ist für sie mehr als ein Spiel.

Immer wieder dreschen Julia Schuster und Katharina Zippack den Ball ins Tor. Beim Training auf dem Sportplatz an der Wurzener Straße funktioniert das genauso gut wie beim Erstrundenduell im DFB-Pokal. Da trafen die Verteidigerin und die Angreiferin zum 2:0-Erfolg des 1. FFC Fortuna Dresden gegen den Viertligisten SC Weyhe. Am Sonnabend empfängt der Drittligist um 14 Uhr im Heinz-Steyer-Stadion den Erstligisten VfL Wolfsburg – Titelverteidiger, je zweifacher deutscher Meister und Champions-League-Gewinner oder, wie Fortuna-Trainer Andreas Pach es formuliert: „Europas derzeit begehrtester Frauenklub, die halbe deutsche Auswahl, darunter sechs Olympiasiegerinnen.“

Dass es immer noch erfolgshungrig ist, bewies das Team aus Niedersachsen am Mittwoch in der Champions League – im Erstrunden-Hinspiel gelang ein souveräner 3:0-Erfolg beim FC Chelsea.

Fußballerinnen hatten lange einen schweren Stand in dem harten, männerdominierten Geschäft. Sie waren häufig das Anhängsel, wurden in den Vereinen belächelt, geduldet oder standen im Abseits. „Da gab es viele Vorurteile“, sagt Fortuna-Sportvorstand Roland Hönisch und zählt auf: „Sie können es nicht, brechen sich die Fingernägel ab, gehören an den Herd.“

Michael Korn erinnert sich gut an die Dresdner Anfänge. Der Zeugwart stellt beim Training die Hütchen auf. Er kennt den Klub noch als Betriebssportgemeinschaft. Hinter ihr stand der Volkseigene Betrieb Lufttechnische Anlagen. „Die BSG LTA gab es ab 1978“, erzählt Korn. „Mädchen durften in der DDR mit 14 Jahren kicken.“ Viele spielten bei den Jungen mit.

Das ist 2016 anders – und Fortuna für seine gute Nachwuchsarbeit ausgezeichnet worden. Im Verein spielen Mädchen von der F-Jugend an. „Wir haben etwa 130 Mitglieder, davon rund 90 aktive“, sagt Hönisch. Er sieht den Verein „gut unterwegs“.

Das war nicht immer so. Nach der Wende gab es die LTA als Trägerbetrieb zwar nicht mehr, den Klub aber schon noch. Die Frauen stiegen 1992 in die Oberliga Nordost auf. Ein Jahr später gründete sich der Verein neu und benannte sich in SV Fortuna Dresden-Rähnitz um. Ab 1994 spielten die Frauen in der Regionalliga Nordost.

Korn erinnert sich auch noch gut an die Abspaltung acht Jahre später: „Damals kamen immer mehr Mädchen zu uns und Neidgefühle zwischen Frauen und Männern auf.“ Es seien einfach zu viele Leute für zu wenige Plätze gewesen und habe immer Ärger wegen der Trainingszeiten gegeben. Leistungsorientierter Fußball sei so kaum noch möglich gewesen. Die Frauenabteilung gliederte sich aus und gründete sich als 1. FFC Fortuna neu. Nach dem Abstieg 2004 in die Sachsenliga spielt er seit 2009 wieder in der Regionalliga Nordost. Damals gingen die Frauen eine Kooperation mit Dynamo ein, die zwei Jahre später wieder endete. „Das brachte uns Aufmerksamkeit und Kontakte, die bleiben“, sagt Hönisch. Außerdem spielen die Frauen seitdem in Schwarz-Gelb. Seit 2013 ist Fortuna laut Pach die erste Adresse in Sachsen, was Mädchen- und Frauenfußball angeht: „Wir werden immer interessanter für Spielerinnen außerhalb von Dresden.“ Für sie geht der Klub finanziell an die Schmerzgrenze. Bei einem Saisonbudget von 30 000 bis 35 000 Euro bedeutet das laut Hönisch, dass er die Fahrtkosten erstattet – mehr nicht.

Dennoch nehmen Spielerinnen wie Anne Engelhardt und Marion Sattler einiges auf sich. Engelhardt arbeitet als Bühnentechnikerin an der Staatsoperette – eigentlich am Wochenende, wenn Fortuna spielt. Meist kann die Mittelfeldspielerin Dienste tauschen. Da kommen ihr Arbeitgeber und Kollegen entgegen. Für Sattler ist das mit dem Training oftmals schwierig, weil sie als Kassiererin bis 22 Uhr im Kaufland Pirna arbeitet. Diese Woche macht die Mittelfeldspielerin es möglich. Schließlich geht es am Sonnabend gegen den VfL Wolfsburg oder, um es mit Pachs Worten zu sagen: „Das beste, größte, interessanteste Los, das wir bekommen konnten. Da war uns Fortuna hold.“ Vergleiche hinken zwar immer ein bisschen, aber das sei wie Stahl Riesa gegen Bayern München bei den Männern.

 

Quelle: sz-online.de (Sächsische Zeitung, 06.10.16)

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