Sächsische Zeitung | 20. Okt 2015

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Der 1. FFC Fortuna Dresden liefert in der Regionalliga eine sensationelle Aufholjagd.

Von Alexander Hiller

Langweiliges Rumgekicke ist in dieser Saison irgendwie nicht drin beim 1. FFC Fortuna Dresden. Nur an einem der bisher sieben Spieltage erzielten die Frauen des Fußball-Regionalligisten weniger als zwei Treffer. Das 3:3 vom Sonntag beim BSC Marzahn erhält jedoch wegen diverser Umstände im Nachhinein eine sensationelle Note.

Denn einerseits reiste der Tabellenfünfte nur mit elf Spielerinnen an – darunter mit Linda Ottlinger (Schulterprobleme) und Marion Sattler (Kniebeschwerden) zwei angeschlagene Akteurinnen. Vorjahres-Spielführerin Juliana Franke reihte sich in die Verletztenliste ein, die von Susann Müller (Nachwirkungen eines Schädelhirntraumas) und Abwehr-Talent Julia Schuster (Knöchelverletzung) angeführt wird. Neuzugang Christin Janouch fehlte berufsbedingt. „Zudem muss ich auf Urlaubszeiten Rücksicht nehmen“, erläuterte Pach. Urlaub mitten in der Saison mag für einen Drittligisten ungewöhnlich klingen. „Da muss man sich in der Regionalliga sicher mal drüber unterhalten, aber die Mädels gehen alle arbeiten, bekommen vom Klub kein Geld“, betonte der Trainer einsichtig.

Andererseits, und das wiegt sportlich wohl noch viel schwerer, lagen die Dresdnerinnen beim BSC Marzahn nach einer Stunde schier aussichtslos zurück. Mit 0:3. Paula Kubusch (19.), Teresa Schneider (31.) und Aleksandra Flegel (52.) hatten den Tabellensechsten deutlich in Führung geschossen. „Zur Halbzeit dachte ich noch an eine Wende, nach dem 0:3 kann aber so ein Glaube auch mal schwinden“, deutete Pach an. Doch seine Mannschaft stemmte sich gegen die dritte Saisonniederlage – und wurde in der Nachspielzeit belohnt.

Erst nährte Carolin-Sophie Härling (60.) mit ihrem Anschlusstreffer wieder ein Fünkchen Hoffnung, dann scheiterte sie mit einem Foulelfmeter an der sensationell reagierenden BSC-Torhüterin Annalena Kriebisch. „Dass wir dann trotzdem weiter drangeblieben sind, macht derzeit unsere Qualität aus“, sagte Pach. „Nach dem 3:1 war das die Fortuna-Mannschaft, die ich kenne – und wegen der ich dieses Amt so gerne ausübe“, sagte der Trainer. Neuzugang Jessica Schleusing gelang in der 69. Minute der Anschlusstreffer. Und in der dritten Minute der Nachspielzeit übernahm die Ex-Leipzigerin die Verantwortung, schnappte sich nach einem Handspiel im Strafraum das Leder zum fälligen Elfmeter und verwandelte eiskalt zum Endresultat. „Eigentlich war sie nicht als zweite Schützin vorgesehen, aber sie hat sich einfach am besten gefühlt. Die Freude war riesengroß. Für solche Momente lebt man Fußball“, sagte Andreas Pach.

Allerdings sah er trotz der tollen Aufholjagd seiner Mannschaft das Duell in Marzahn nicht durch die rosarote Brille. „Was uns derzeit noch fehlt, ist die Ruhe und Sicherheit in der Abwehr.“ Das macht Pach nicht ausschließlich, aber hauptsächlich am verletzungsbedingten Fehlen von Julia Schuster fest. Die erst 17-jährige Schülerin avancierte in der Vorsaison mit ihrer unaufgeregten Art, ihrer Passsicherheit und Schnelligkeit sowie ihrer Kopfballstärke zur Aufsteigerin des Jahres. In der vergangenen Spielzeit kassierte Fortuna lediglich 21 Gegentore, jetzt sind es nach sieben Spieltagen schon 13. „Julia steigt jetzt langsam wieder ein, aber wir werden sie nicht verheizen“, sagt Pach. Langeweile wird auch in den kommenden Wochen also keine aufkommen. „Mir ist so ein 3:3 viel lieber als ein 0:0“, betont der Trainer, schiebt dann aber augenzwinkernd nach: „Noch lieber wäre mir ein 1:0.“

Quelle: sz-online.de (Sächsische Zeitung, 20.10.2015)

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