Sächsische Zeitung | 22. Aug. 2016

Gebremste Freude

Alexander Hiller

Fortuna erreicht als erstes Dresdner Frauenteam die 2. Runde des DFB-Pokals.
Davon bleibt beim Drittligisten kaum etwas hängen – im Gegensatz zu Dynamo.

Was für Gegensätze. Und das im selben Wettbewerb, in einer Stadt, am selben Wochenende. Hier die überbordende Euphorie in einem proppevollen Stadion, begleitet von medial beinahe wahnwitzigem Ballyhoo und einer ebenfalls nahezu unglaublichen Summe. Da Dynamo Dresden – hier die Fußballerinnen des 1. FFC Fortuna Dresden.

Ja, seit Sonntag stehen zwei Mannschaften aus der sächsischen Landeshauptstadt in der 2. Runde um den DFB-Pokal. Im Heinz-Steyer-Stadion ist davon am Sonntag vergleichsweise wenig zu spüren. Pokaleuphorie? Hier nicht. Sicherheitsschleusen? Hier nicht. Große Gefühle? Vorhanden, ohne Frage. Aber gewissermaßen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. 145 Besucher erleben den letztlich ungefährdeten 2:0-Erfolg (1:0) der Gastgeberinnen über den Bremer Viertligistin SC Weyhe. Julia Schuster (20.) und Katharina Zippack (60.) sorgen für den historischen Erfolg. „Noch nie ist eine Dresdner Frauenmannschaft in die 2. Runde des DFB-Pokals eingezogen“, sagt Sportvorstand Roland Hönisch – und sieht dabei wenigstens ein bisschen zufrieden aus.

Denn während Dynamo Dresden mit dem Einzug in die nächste Runde bereits 408 000 Euro allein an Startprämien auf der sicheren Seite weiß, muss sich Fortuna mit jeweils 2 500 Euro für die erste und für die zweite Runde begnügen. Davon bleibt freilich nicht alles im Verein hängen. „Die Summe müssen wir uns mit den Gästen vom SC Weyhe teilen – für Aufenthalts- und Anreisekosten. Hinzu kommen noch erhöhte Schiedsrichterkosten. Ob überhaupt etwas übrig bleibt, wissen wir noch nicht“, sagte Hönisch. Ein derartiges finanzielles Ungleichgewicht kann man ungerecht finden – oder aber als Abbildung der öffentlichen Neugier und Wahrnehmung. Das wird wohl auch nach dem Olympia-Triumph der DFB-Frauen so bleiben - trotz 6,38 Millionen Fernsehzuschauern.

Diese Schräglage hat aber nicht allein etwas mit den Vereinen zu tun. Sondern auch mit öffentlicher Unterstützung, ob nun ideel oder finanziell. Fortuna-Trainer Andreas Pach ärgerte sich maßlos darüber, dass der Sächsische Fußball-Verband (SFV) auf seiner Homepage nur den vier Männerteams FSV Zwickau, Dynamo Dresden, RB Leipzig und Erzgebirge Aue demonstrativ die Daumen drückt, aber darüber die beiden SFV-Vertreter der Frauen übersieht. Neben Fortuna war noch der FFV Leipzig im Rennen. „Es wäre schön, wenn der Verband sich daran erinnert, dass er Frauenfußball gezielt unterstützen will. So sieht das jedenfalls nicht aus“, grantelt Pach.

Mithin bleibt den Fortuna-Fußballerinnen wohl oder übel nur übrig, mit Beharrlichkeit, sympathischem Auftreten und natürlich auch sportlichen Erfolgen Eigenwerbung in ureigenstem Interesse zu betreiben. Wie etwa an den Nebenschauplätzen – Ballmädchen und -jungs – stellt der Klub aus eigenem Antrieb auf, das schreibt der DFB für seinen wichtigsten Pokalwettbewerb nicht zwingend vor. Das Angebot an selbst gefertigten Speisen ist so breit gefächert wie noch nie. Und auch die Pausenmusik bereitet nostalgische Gefühle. „Girl, I’m gonna miss you“, säuseln die Stimmenbetrüger von Milli Vanilli. Passt irgendwie zum Frauenfußball – Mädchen, ich werde dich vermissen. Hier ist die Zeit stehen geblieben. Wie vielleicht auch die Entwicklung der Sportart ein bisschen eingeschlafen scheint.

Immerhin dürfen sich die beiden DFB-Pokalfinalisten auf die Summe von 70 000 Euro freuen. Davon könnte der Drittligist aus Dresden zwei komplette Spielzeiten bestreiten. Wäre Träumerei. Aber Fortuna darf zumindest auf ein sportlich großes Los hoffen. Ab der 2. Runde liegen alle Erstligisten im Lostopf. Allerdings wird es für die Auslosung noch regionale Lostöpfe geben, über deren Zusammensetzung der DFB-Ausschuss für Mädchen- und Frauenfußball noch entscheidet. „Damit hat unser Verein weiter die Möglichkeit, sich nach außen positiv zu präsentieren“, sagt Trainer Andreas Pach. „Wer da in der 2. Runde auf uns wartet, ist mir nicht ganz so wichtig.“ Auch das unterscheidet den DFB-Pokal der Frauen von dem der Männer.

Quelle: sz-online.de (Sächsische Zeitung, 22.8.16)

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