Sächsische Zeitung | 21. Nov. 2016

Fortunas neue Spielfreude

Von Alexander Hiller

Die Drittliga-Kickerinnen aus Dresden sind nominell schwächer besetzt als im Vorjahr, starten aber dennoch richtig durch. Eine Analyse.

Wer sich die Mühe macht und die Tabelle in der Fußball-Regionalliga Nordost der Frauen regelmäßig verfolgt, dürfte sich zumindest über eine Mannschaft ein wenig wundern.

Der 1. FFC Fortuna Dresden ist in dieser Saison vielleicht nominell nicht ganz so gut aufgestellt wie in der vergangenen Spielzeit. Da reichte es freilich lediglich zu Platz acht im Gesamtklassement. Nach nicht einmal der Hälfte der Saison – neun von 22 Spieltagen sind absolviert – liegt Fortuna mit derzeit 19 Punkten nur drei Zähler hinter dem Endresultat der letzten Regionalligarunde. Lediglich drei Zähler trennen den Tabellenvierten derzeit von der Führung in der dritthöchsten deutschen Spielklasse. Für diese Entwicklung muss es also Gründe geben, die nicht direkt mit der individuellen Klasse der einzelnen Akteurinnen zusammenhängen. Zudem zog das Team am Sonntag mit einem 1:0-Erfolg beim Ligarivalen Erzgebirge Aue ins Halbfinale des Sachsenpokals ein.

„Insgesamt“, sagt Trainer Andreas Pach, „tritt die Mannschaft viel homogener auf“. Das mag auch darin begründet sein, dass sich einige jetzt nicht mehr hinter Leistungsträgerinnen verstecken können oder müssen. Carolin Sophie Härling, Regionalliga-Torschützenkönigin der Spielzeiten 2013/14 und 2014/15 traf in der letzten Saison noch 13 Mal für Fortuna. Nun ist die ehemalige Erstliga-Kickerin schon seit dem Saisonstart mit einem Kreuzbandriss außer Gefecht. Schlechter macht das die Trefferquote von Fortuna bislang nicht. Im Gegenteil. Pro Partie erzielen die Dresdnerinnen derzeit 2,55 Tore, in der Vorsaison lediglich 1,7 Treffer. „Manchmal ist die, die individuell stärker ist, für das Mannschaftsgefüge gar nicht so gut“, sagt Andreas Pach. Heißt: Das Fortuna-Team bugsiert die Bälle nicht nur mehr simpel nach vorn – und dort hilft dann Frau Härling – sondern arbeitet insgesamt mehr für die Offensive. Ohne dabei jedoch die Deckungsarbeit zu vernachlässigen. Neun verschiedene Torschützinnen haben sich bereits bei Fortuna eingetragen.

Die Torjägerin geht – als Polizistin

Das macht die Mannschaft nicht so berechenbar. Auch, weil einigen noch einmal ein Leistungssprung gelang. Judith Knieling beispielsweise. Die 21-Jährige, zuvor stets im Schatten anderer Angreiferinnen, blüht in dieser Saison regelrecht auf und ist mit derzeit sechs Toren nicht umsonst Fortunas Torjägerin Nummer eins.

An ihr verdeutlicht sich freilich auch das Dilemma des höchstklassig spielenden Frauenfußballvereins der Stadt. „Sie profitiert von der derzeitigen Personalsituation, hat sich gut entwickelt, ist psychisch gefestigter geworden. Wenn sie noch mehr an sich glaubt, dann kann sie noch besser werden“, ist sich Fortuna-Trainer Andreas Pach sicher.

Er und die Fortuna könnten dann allerdings von einem weiteren Qualitätssprung der jungen Angreiferin nicht mehr profitieren. Denn Knieling beginnt bald eine Ausbildung zur Polizistin – und das in Hamburg. „Nach dem Winter-Halbjahr kann sie nicht mehr für uns spielen. Sie wird dort sicher einen Verein finden, bei dem sie sich auch weiterentwickeln kann“, sagt Pach.

Auch in der bisher stabilen Abwehr gibt es einen schwerwiegenden, aber vorübergehenden Ausfall. Julia Schuster, 18-jähriges Defensivtalent, ist derzeit zu einem Austauschprogramm in Neuseeland. Die gebürtige Mühlsdorferin kehrt zwar am 30. April zurück, stünde dann theoretisch aber nur noch für die letzten drei Spieltage zur Verfügung. „Das sind natürlich alles Dinge, die uns wehtun. Auch, weil Julia so eine Fußballverrücktheit in sich trägt. Aber die jungen Leute müssen auch ihre Erfahrungen sammeln“, befindet der Trainer.

Angesichts dieser Voraussetzungen mindert Andreas Pach vor der Partie beim Tabellenzweiten Magdeburger FFC am kommenden Sonntag die Erwartungshaltung. „Die ist ohnehin schon gewachsen. Aber Magdeburg hat als Stützpunkt eine ganz andere Basis, viel bessere Voraussetzungen“, sagt er. Aber, wieso sollte man sich eigentlich nicht noch ein Weilchen über den 1. FFC Fortuna wundern?

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