Sächsische Zeitung | 27. Aug 2015

„Die menschliche Nähe hier hat mich gepackt“

Die Regionalliga-Torschützenkönigin Carolin-Sophie Härling zieht das Wohlfühlklima beim 1. FFC Fortuna Dresden einem Angebot aus der 2. Bundesliga vor.

Von Alexander Hiller

Diese Dame kommt als Königin nach Dresden. Als Torschützenbeste der abgelaufenen Regionalliga-Saison. Die Geschichte von Carolin-Sophie Härling könnte sich als absoluter Glücksfall für den ambitionierten Frauenfußballverein 1. FFC Fortuna Dresden erweisen.

Bereit für neue Großtaten mit dem neuen Verein: die 24-jährige Carolin-Sophie Härling. Foto: Robert Michael

Es ist zunächst einmal die Geschichte eines Niedergangs. Ein Ende, in dem zugleich ein neuer Anfang steckt. Die jetzt 24-jährige Härling avancierte in den letzten beiden Spielzeiten für Eintracht Leipzig-Süd jeweils zur Torschützenkönigin der Regionalliga Nordost – mit 26 (2013/14) und 18 Treffern (2014/15). Die Frauenfußball-Abteilung von Eintracht Leipzig-Süd löste sich nach der abgelaufenen Serie jedoch auf – und fusionierte weitestgehend mit dem Zweitligisten FFV Leipzig.

Auch um die Gunst von Carolin-Sophie Härling buhlte der FFV. Vergebens. „Ich habe mir die Angebote angeschaut, was die Vereine zu bieten haben – fußballerisch, aber auch menschlich. Ich finde, dass Dresden und Fortuna menschlich am besten zu mir passen“, sagt die sensible Ausnahmekickerin. Was immer das über die Qualitäten des FFV Leipzig in dieser Hinsicht aussagt. „Da hat es charakterlich nicht so gestimmt. Ich habe ja schon dort gespielt – und bin nicht ohne Grund gegangen. In dieser Hinsicht hat sich nichts geändert“, sagt sie.

Härling, die in Frankfurt an der Oder geboren wurde und in Zeitz aufwuchs, absolvierte auf eigenen Wunsch sogar zwei Probetraining-Einheiten in Dresden – um die zwischenmenschliche Gemengelage auszuloten. „Ich wollte einfach gucken, ob die Chemie zwischen mir und der Mannschaft passt. Wenn ich den Weg aus Leipzig auf mich nehme, da muss es mir auch Spaß machen“, sagt sie. Die Chemie passt offenbar bestens. „Die menschliche Nähe hier hat mich gepackt“, bestätigt sie. Also pendelt die Vollblut-Stürmerin mindestens zweimal pro Woche zum Training zwischen Leipzig und Dresden. Die Bankkauffrau arbeitet in der Messestadt bei der Leipziger Volksbank als Kundenberaterin.

„Außerdem wurde hier mit Trainer Andreas Pach eine gute sportliche Ebene geschaffen. Ich denke, dass ich mich auch fußballerisch weiterentwickeln kann.“ Ihr neuer Trainer Andreas Pach ist, natürlich, voll des Lobes über seinen torhungrigen Neuzugang. „Sie ist eine zielstrebige Person, die sehr viel Freude an ihrem Hobby und viel Persönlichkeit mitbringt“, sagt Andreas Pach. „Insofern war die Auflösung von Eintracht Leipzig ein Glücksfall für uns. Wenngleich wir durch unsere Entwicklung in den letzten beiden Jahren auch langsam interessant für Spielerinnen außerhalb von Dresden werden“, betont er.

Natürlich sind sie in Dresden auch finanziell an die Schmerzgrenze gegangen, um die Wunschspielerin zu binden. Dabei geht es im Frauenfußball aber nicht um unverschämt anmutende Summen. Härling werden lediglich die Fahrtkosten zurückerstattet. „Natürlich war das für meine Entscheidung auch wichtig“, räumt sie ein, „aber was bringt mir das, wenn ich mich nicht darauf freue, hierherzukommen?“

Härling bringt sogar Erstliga-Erfahrung mit. Als Torhüterin! 20 Partien stand sie für Lok Leipzig in der 1. Bundesliga zwischen den Pfosten (2011/12). „Beim 1. FC Zeitz, meinem ersten Verein, habe ich draußen immer im Sturm oder im Mittelfeld gespielt. Bei Hallenturnieren stand ich dann im Tor. Das habe ich lange Zeit parallel gemacht“, sagt sie. „Weil mir das damals auch Spaß gemacht hat. Mittlerweile ist mir das aber zu langweilig, nur im Tor zu stehen“, sagt sie. Also muss sich Fortunas Stammtorhüterin Elisa Walther keine Sorgen um eine plötzliche neue Kontrahentin machen? Härling lächelt und schüttelt den Kopf. „Wir haben zwei gute Schlussleute. Elisa ist eine sehr gute Torhüterin geworden“, sagt sie. Mit der Dresdner Keeperin verbindet sie seit einiger Zeit ein ganz besonderes Band. Im letzten Spiel der vergangenen Saison überlistete die damalige ELS-Stürmerin ihre neue Klubkollegin mit einem Weitschuss aus 45 Metern. „Wir haben da zusammen schon drüber gelacht“, sagt Carolin-Sophie Härling.

Verspürt die Torschützenkönigin eine große Erwartungshaltung bei Fortuna? „Ich habe mich nie selbst unter Druck gesetzt. Eine Stürmerin lebt von ihren Kolleginnen. Bei Fortuna stehen eine gute Abwehr und ein gutes Mittelfeld hinter mir“, weiß sie. „Die werden mich so füttern, dass ich wieder einige Tore schießen sollte. Ich denke aber nicht, dass hier jemand von mir verlangt, dass ich jetzt 38 Tore schieße“, erklärt sie. Der NOFV schaffte es übrigens in den letzten beiden Jahren nicht, der besten Regionalliga-Schützin eine Torjägerkanone zu überreichen. „Das ist bitter. Da denke ich mir, ein Pokal für 20 Euro, eine Gravur drauf – das wäre schon mal ein Anfang.“

Quelle: sz-online.de (Sächsische Zeitung, 27.08.2015)

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